In letzter Zeit hab ich mir zu einem Thema Gedanken gemacht, auf das ich noch keine Antwort gefunden habe und vermutlich auch nicht mehr finden werde. Die Demokratie wurde ja in Europa (antikes Griechenland) erfunden, in der französischen Revolution weiterentwickelt und in vielen westlichen Ländern umgesetzt und ausgestaltet. Wir als westlich zivilisierte Menschen sind größtenteils davon überzeugt, dass jeder Mensch in einem freien und demokratischen System leben sollte.
Aber ist Demokratie überhaupt ein System, das für alle passt?
Demokratie bedeutet erst mal, dass die Bürger*innen politisch mitgestalten dürfen. Das finde ich uneingeschränkt gut. Auch sollten Werte wie Menschenrechte, Gewaltenteilung etc. meiner Meinung nach überall auf der Welt gelten. Aber ob man die Ausgestaltung mit mehrheitlich gewählten Repräsentant*innen einfach so auf alle Länder übertragen kann, weiß ich nicht.
Von afrikanischen Ländern haben manche von uns vielleicht schnell ein vorurteilsbehaftetes Bild von einer Scheindemokratie mit einem mehr oder weniger frei gewählten Präsidenten, der sich in erster Linie autokratisch selbst bereichert. Mal davon abgesehen, dass Korruption kein ausschließlich afrikanisches Phänomen ist (in Deutschland heißt das dann halt Lobbyismus, wobei der Begriff nicht unterscheidet, ob Einfluss zur persönlichen oder gesellschaftlichen Bereicherung genommen wird) und Autokratien und autokratische Ansätze auch auf dem europäischen Kontinent existieren, habe ich persönlich schon das Gefühl, dass selbst in einem ziemlich westlich geprägten und demokratisch stabilen Land, wie Namibia, politische Probleme herrschen, die man vielleicht in der Härte aus Deutschland nicht kennt.
Und dann ist da noch das Thema Minderheiten: Da ist es ja immer nicht so einfach den richtigen Umgang zu finden. Üblicherweise muss man dafür Sonderregelungen finden, wie z. B. die Minderheitenregelung und 3-Direktkandidat*innen-Klausel, um die 5-Prozent-Hürde auszusetzen. Aber was ist zum Beispiel in einem Land, wie Namibia, das eine dominante Ethnie (die Ovambos) hat und sonst ganz viele Minderheiten (Herero, Damara, Nama, Himba, San, Kavango, ...). Darüber hinaus wurde und wird größtenteils immer noch die Partei, die zur eigenen Ethnie gehört, gewählt. (Die restliche Amtszeit über beschwert man sich dann über Korruptionsskandale, wobei viele davon ausgehen, dass Oppositionsparteien, wenn sie erst mal an der Macht sind, auch nicht besser sind). Deshalb hat bisher immer die SWAPO-Partei (welche als zu den Ovambos gehörig zählt) den Präsidenten und den Großteil der Regierung gestellt.
Was man auch nicht vergessen darf, ist, dass wahrscheinlich jede Kultur auch schon ein eigenes politisches System mitbringt. Im Detail kenne ich mich nicht aus und ich will da nichts verklären, aber soweit ich weiß hatten/haben viele namibische Ethnien Chiefs / Häuptlinge / Kapteins, also traditionelle Führer. Wahlen gab es nicht. Stattdessen wurde die Rolle weitervererbt. Diese trafen jedoch oft in Rücksprache mit ihrer (damals in der Größe überschaubaren) Gruppe Entscheidungen. So gab es z. B. kurz vor dem Aufstand der Herero gegen die deutschen Kolonialbesatzer tagelange geheime Besprechungen und Diskussionen.
Lange Rede, kurze Frage: Sollte man wirklich forcieren, dass alle Länder politisch so funktionieren, wie wir es gewohnt sind und wovon wir überzeugt sind, dass es das Beste ist, oder ist das nur eine weitere Facette der White Supremacy, also dem Verständnis, dass wir Weiße gegenüber anderen überlegen sind?
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